Leon Draisaitl: \"Ich würde immer mein Land vertreten\"

Hallo Leon, wo erwischen wir dich gerade?

Ich bin gerade in Edmonton. Derzeit wohne ich bei einem ehemaligen Besitzer der Oilers in dessen Haus, habe aber oben im Haus mein eigenes Apartment.

Das heißt, du hast den Sommer gar nicht in Deutschland verbracht?

Nein, ich war nur kurz im Anschluss an die Weltmeisterschaft zu Hause, habe da die Familie und einige Freunde getroffen. Die restliche Zeit habe ich in Nordamerika verbracht. Unmittelbar nach dem Draft ging es von Philadelphia aus dann zunächst zwei Tage nach Ottawa zu meinem Agenten und danach auch schon nach Edmonton.

Aber die Fußball-WM hast du schon verfolgt, oder?

Ja, klar. Ist doch geil, dass wir Weltmeister geworden sind. Ich habe die Spiele hier in Kanada alle live im TV verfolgt. Es ist ein wenig schade, dass ich nicht in Deutschland sein konnte. Die Euphorie war ja der reinste Wahnsinn. Ich habe mit ein paar Kumpels hier gemeinsam geguckt. Denen musste ich erstmal erklären, was bei uns zu Hause in Deutschland bei so einer Fußball-WM abgeht.

Verfolgst du auch die Bundesliga?

Ja, aber eher oberflächlich. Ich würde nicht behaupten, dass ich mir alle Wiederholungen anschaue. Und wenn, dann halte ich natürlich zum Ersten Fußball Club Köln, ist ja schließlich mein Heimatverein. Ich fand’s super, als Poldi mit der Köln-Fahne bei der WM rumgerannt ist. Das zeigt echte Heimatverbundenheit.

Deine Heimat ist jetzt Edmonton in Kanada. Schon eingelebt?

Ja, jeden Tag ein wenig mehr. Mir gefällt die Stadt und Umgebung bisher sehr. Ich habe zwar noch nicht alles gesehen, aber das kommt noch. Auf jeden Fall sind die Menschen hier sehr nett und helfen einem, wo sie können. Da fühlt man sich gleich wohl.

Wie sieht dein Tagesablauf aus?

Es sind schon einige Spieler hier, zuletzt haben wir eine gemeinsame Trainingswoche in Jaspers verbracht. Dort ging es täglich einmal aufs Eis und in den Kraftraum. Es war zwar anstrengend, hat aber auch Spaß gemacht. Hier in Edmonton haben wir auch die Möglichkeit, ein paar Mal in der Woche aufs Eis zu gehen. Das nutze ich mit einigen Teamkameraden natürlich.

Das heißt, du bist schon voll im Training, während andere Spieler, gestandene NHL-Profis, noch den Sommer genießen?

(lacht). Ich glaube nicht, dass die restlichen Akteure ausschließlich den Sommer genießen. Du kannst dich vielleicht nach der Saison mal zwei, drei Wochen aus dem Training verabschieden, danach muss jeder sein individuelles Programm durchziehen. Die einen machen das in ihrem Heimatort, die anderen, so wie wir jungen Spieler, sind halt schon vor Ort, um zu trainieren. In meinem Fall macht es Sinn, dass ich beim neuen Arbeitgeber bin. Wenn du zum Trainingsstart fit sein willst, dann kannst du dich sicherlich nicht auf die faule Haut legen.

Hat man dir schon gesagt, was man von dir erwartet bzw. wo die Verantwortlichen deine Rolle sehen?

Es hat schon Gespräche mit dem Management und den Trainern gegeben, klar. Ich hoffe natürlich, dass ich mich gleich in der NHL durchsetzen kann. Nur, weil ich beim Draft an dritter Position gezogen wurde bedeutet das nicht, dass ich einen Freifahrtschein habe. Im Gegenteil: Die Erwartungen sind höher.

Und der Druck größer? Gerade für einen erst 18 Jahre alten Stürmer?

Den Druck haben wir alle, da gibt es keine Ausnahme. In der NHL sowieso. Da spielt es überhaupt keine Rolle wie du heißt, wie alt du bist, was du schon alles erreicht hast. Bringst du nicht deine Leistung und gibst alles, dann findest du dich ganz schnell auf der Tribüne oder in den Minor-leagues wieder. Es warten viele Spieler aus der so genannten zweiten Reihe auf genau diese Chance. Und ehe du dich versiehst, hat jemand anders deinen Platz eingenommen. Von daher weiß ich schon, was auf mich zukommt. Das gehört zum Profigeschäft dazu. Es ist eine große Herausforderung und die nehme ich an.

Wenn man den Berichterstattungen Glauben schenken kann, dann bist du in deinem ersten NHL-Jahr sogar für die Mittelstürmerposition der zweiten Sturmreihe eingeplant?

Das wäre natürlich ideal, aber das ist eine reine Entscheidung der Trainer. Ich muss die Situation abwarten. Anfang September startet das Training und erst dann kann man mehr sagen.

Wie bewertest du die Situation mit der deutschen Fraktion in Pittsburgh?

Ich habe  mich sehr gefreut, dass mit Marcel Goc, Christian Ehrhoff und Thomas Greiss gleich drei deutsche Spieler dort sind. Tom Kühnhackl, der im Farmteam spielt, sollte man nicht vergessen. Ich hoffe sehr, dass er es auch irgendwann mal ins Team schafft. Bei so vielen Topspielern ist das natürlich nicht ganz einfach.

Pittsburgh dürfte zu den Favoriten auf den Stanley Cup gehören, oder?

Mit Sicherheit. Wenn du Crosby und Malkin hast, gehört man automatisch zu den Titelanwärtern. Aber das sind ja nicht die einzigen Topspieler dort. Die Pens haben insgesamt eine überragende Truppe beisammen.

Ein deutsches Trio in Pittsburgh, mit Leon Draisaitl der am höchsten gedraftete deutsche Spieler aller Zeiten in der NHL – die Berichterstattung in den internationalen Medien war in den vergangenen Wochen durchweg positiv. Macht dich sowas stolz?

Ja, klar. Ich hoffe auch, dass es so bleibt. In Nordamerika hat man sehr viel Gutes über uns deutsche Spieler berichtet. Ist doch super: Wenn wir das deutsche Eishockey damit ein wenig mehr in den Fokus rücken können, dann haben wir alle was davon. Ohnehin ist die Berichterstattung in Nordamerika eine andere.

Wie meinst du das?

Naja, ich habe so ein wenig das Gefühl, dass bei uns zu Hause in Deutschland oft eher das Negative gesehen wird. Das gibt es hier in der Form nicht so. Hier werden mehr die positiven Dinge in den Vordergrund gestellt.

Kannst du konkreter werden?

Ich kann mir eigentlich nur ein oberflächliches Urteil erlauben, da ich auch nicht alles lese, was so in Eishockey-Deutschland passiert. Aber manchmal finde ich, dass manche Dinge zu kritisch dargestellt werden. Vielleicht ist das aber eher etwas grundsätzliches und eine Sache der Mentalität.

Kommen wir zur Nationalmannschaft: Wenn’s darum geht, für dein Land zu spielen, bist du dabei, oder?

Auf jeden Fall! Sollte ich nicht im Spielbetrieb sein oder eine Verletzung haben, würde ich immer mein Land vertreten. Das macht jeden Sportler stolz.

So manche sehen dich neben den anderen deutschen NHL-Cracks auch als Werbeträger für deine Sportart. Nimmt man eine solche Aufgabe gern an oder nervt dich sowas eher?

Das nervt doch nicht. Ich habe immer gesagt: Wenn ich die Möglichkeit habe, Eishockey in Deutschland populärer zu machen, dann tue ich, was ich kann. Natürlich muss man auch mal Stop sagen. Man kann ja nicht alle Termine oder Interviews wahrnehmen. Aber ich versuche, alles zum Wohle der Sportart zu machen. Ich liebe Eishockey und würde mir wünschen, dass noch mehr Kinder diesem tollen Sport nachgehen.

Wenn man wie du eine exponierte Stellung im Profisport hat, dann ist man sicherlich auch bei den sozialen Medien unterwegs, oder?

Na, klar. Auf Twitter und Instagram kann man mir schon länger unter @Drat_29 folgen. Ich habe seit ein paar Wochen auch eine facebook-Fanseite. Ich würde mich über viele Follower und Likes natürlich freuen.

Danke, Leon, für das Interview und viel Erfolg bei den Edmonton Oilers!

Danke auch und ich grüße alle Fans in ganz Deutschland.

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