Jerome Flaake: Über die Garten-AG zum Eishockey-Profi

Neu-Münchener hat sich beim EHC Red Bull gut eingelebt: "Es wird verdammt schwer, den Titel zu verteidigen. Uns jagen schließlich alle."  / Der WM-Freude folgte der Hamburg-Schock

Am 18. Mai saß Jerome Flaake glücklich im Zug von Sankt Petersburg nach Moskau, wo die deutsche Nationalmannschaft nach ihrem Viertelfinal-Einzug bei der WM in Russland zwei Tage später auf den Gastgeber treffen sollte. Flaake war glücklich darüber, dass es die deutsche Auswahl bei einer WM endlich wieder unter die Top-Acht geschafft hatte und er war noch glücklicher darüber, nach vielen verletzungsbedingten Rückschlägen überhaupt erstmals während einer WM bei der deutschen Auswahl dabei sein zu können.  

Doch dann kam die Nachricht, die seine Stimmungslage vom einen auf den anderen Moment verändern sollte. Per Pressemeldung erfuhr Flaake vom Aus der Hamburg Freezers. „Ich dachte erst an einen verspäteten April-Scherz, konnte damals noch gar nicht realisieren, was los war.“ Verständlich, denn selbst seine Teamkameraden reagierten ebenso geschockt auf das plötzliche Ausscheiden der Hanseaten. „Ich habe dann natürlich sofort Informationen aus Hamburg eingeholt. Aber real war das trotzdem nicht für mich.“

Jerome Flaake

„Wenn man sieht, dass vom Eismeister bin zu den Leuten in der Geschäftsstelle plötzlich alle arbeitslos und in ihrer Existenz bedroht sind, dann ist das extrem bitter und traurig."

Erst nach seiner Rückkehr kehrte Licht ins allgemeine Dunkel, das ganze Ausmaß wurde deutlich. „Wenn man sieht, dass vom Eismeister bin zu den Leuten in der Geschäftsstelle plötzlich alle arbeitslos und in ihrer Existenz bedroht sind, dann ist das extrem bitter und traurig. Wir haben nachher alles versucht und auch viel Unterstützung bekommen. Leider hat es nicht gereicht“, denkt Flaake noch heute an die Rettungsversuche an der Elbe zurück.   

Das Projekt Hamburg war gescheitert, aber die Karriere ging weiter. Ein Spieler wie Flaake stand bei einigen Clubs auf der Wunschliste, auch in Europa. Der EHC Red Bull München bekam den Zuschlag. Flaake wechselte zum Meister. Eine ganz neue Herausforderung für den Offensivspieler. Am 3. DEL-Spieltag gelang Flaake, der bereits in der CHL getroffen hatte, gegen die Eisbären sein erstes DEL-Tor für den neuen Club. Es folgte zwei Tage später der Hattrick gegen die Augsburger Panther. Ausgerechnet Augsburg mag man denken – und das hat Gründe.

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Jerome Flaake verbindet mit Augsburg viel. Sehr viel sogar. Schließlich ist der Nationalstürmer in der nächsten Umgebung aufgewachsen. Heute liegt das Elternhaus des Stürmers nur zehn Minuten Fußweg vom Curt-Frenzel-Stadion entfernt. In ein paar Wochen, wenn der Deutschland Cup zum zweiten Mal in Folge in der Fuggerstadt ausgetragen wird, ist der Angreifer wieder dabei. Bundestrainer Marco Sturm hat Flaake erneut in den Kader der Nationalmannschaft berufen. „Eigentlich könnte ich ja auch zu Hause schlafen“, lacht der Linksschütze, der im Sommer ohnehin viel Zeit in Augsburg verbringt.

Und das seit vielen Jahren schon. Im Alter von zwei Jahren ging es für den kleinen Jerome mit der Familie von seinem Geburtsort Gruben nahe der polnischen Grenze nach Königsbrunn – gerade einmal zehn Kilometer entfernt von Augsburg. Dass er mit sieben Jahren zum Eishockey kam, war eigentlich mehr Zufall. Flaake grinst: „In der Grundschule wollte ich eigentlich in die Garten-AG, aber die war voll. Sie haben mir gesagt, es gäbe da was ganz neues, nämlich Eishockey. So hat das alles angefangen.“

Thomas Eichin, Manager 1860 München

"Es war ein großer Fehler, ihn ziehen zu lassen."

Schnell bemerkten seine Trainer, dass der kleine Mann da auf dem Eis durchaus Talent besaß. Von den Eisbären Königsbrunn bzw. den AEV über Riessersee ging‘s 2006 ins Internat nach Mannheim. 2007 dann der erste Profieinsatz bei den Kölner Haien, wo Flaake allerdings nicht so recht glücklich werden sollte. 2010 folgte der Wechsel nach Hamburg. Im Nachhinein „war es ein großer Fehler, ihn ziehen zu lassen“, sagte der damalige Haie-Geschäftsführer und heutige Manager des Fußball-Zweitligisten 1860 München, Thomas Eichin.

Eichin sollte Recht behalten, Flaakes Karriere ging durch die Decke: In bis heute 439 DEL-Spielen gelangen ihm 251 Scorerpunkte. Es hätten durchaus noch mehr sein können, doch Flaake hatte großes Pech: Im den Playoffs 2013 gegen Berlin erlitt der Angreifer einen Wadenbeinbruch, riss sich das Syndesmose- und Innenband. Es folgte eine monatelange Pause und eine schwierige Reha. Anfang des Jahres dann der erneute Schock: Nach einem eher harmlosen Kampf um den Puck beim Spiel gegen Iserlohn sprang Flaake unglücklich die rechte Schulter heraus. Dabei zog er sich einen Labrumabriss zu, der das Saison-Aus bedeutete. 

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Aber  nicht nur seinem damaligen Team aus Hamburg fehlte der Topstürmer. Seine Nationalmannschaftskarriere war obendrein auf Eis gelegt. 2011 unter Uwe Krupp und 2012 unter Jakob Kölliker wurde „Ronny“, wie er im Bekanntenkreis genannt wird, noch kurz vor dem Turnier gestrichen. Zu den genannten Verletzungen musste Flaake auch im Jahr 2014 wegen einer Nasennebenhöhlen-Operation selber absagen.

Das Ziel des modebewussten Angreifers, der zu seiner Hamburger Zeit sogar eine eigene exklusive Mützenkollektion produzierte, verwirklichte er dann im Mai, in dem er in Russland fünf WM-Spiele für die Nationalmannschaft bestritt. „Das war eine super Zeit. Dazu kam noch der Erfolg mit dem Erreichen des Viertelfinals. Wir haben gezeigt, dass es mit dem deutschen Eishockey wieder nach oben geht“, nickt Flaake.

In München fühlt er sich pudelwohl, so viel steht fest. „Ich kannte ja auch schon viele Jungs eben aus der Zeit in der deutschen Auswahl. Die Eingewöhnung fiel mir nicht schwer. Wir haben eine richtig gute Truppe.“ Mit einer klaren Zielsetzung. „Klar, man will Meister werden. Aber es wird verdammt schwer, diesen Titel zu verteidigen. Uns jagen schließlich alle.“

Klar ist auch, dass sich der Nationalstürmer trotz seiner beruflichen Veränderung weiterhin mit Hamburg beschäftigt. Nach sechs Jahren an der „Waterkant“ auch völlig logisch. Der Kontakt zu einigen ehemaligen Mitspielern ist nach wie vor da, besonders zu Christoph Schubert, der mit dem Oberligisten Hamburg Crocodiles eine neue Euphorie in der Hansestadt entfachte. „Es ist unglaublich, wie sehr sich der ‚Schuby‘ eingebracht hat. Ich drücke ihm für das Projekt die Daumen. Hamburg verdient Eishockey.“  

<dtagvideo video-id="2797">2797 | Jerome Flaake startet beim Meister durch! </dtagvideo>

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