Nationalmannschaft: Reiss-Comeback nach zweieinhalb Jahren

Ein alter Bekannter ist zurück auf internationalem Parkett. „Ich freue mich riesig. Es ist immer eine Ehre, in die Nationalmannschaft berufen zu werden“, sagt Andy Reiss. Der Hannoveraner Verteidiger gibt bei den beiden Eishockey-Länderspielen gegen Russland in Chemnitz und Dresden sein Comeback in der deutschen Auswahl. Nach über zweieinhalb Jahren. Zuletzt stand Reiss im Rahmen der Vorbereitung auf die WM 2010 im eigenen Land auf dem Eis. Genauer gesagt am 4. Mai 2010 bei der 1:4-Niederlage gegen Kanada in Hamburg. Nun darf er wieder ran. 19 Länderspiele hat der Linksschütze bisher auf seinem Konto.

Aber wer ist der Mann, dessen Nachname in Hannover quasi jeder Eishockey-Fan kennt? Andy Reiss, ein waschechter Hannoveraner mit kanadischen Wurzeln, wird in seiner Laufbahn stets von zwei ganz wichtigen Personen begleitet: Zwei Familienmitglieder spielen eine besonders wichtige Rolle in seinem Leben, sein Vater Siggi und sein Bruder Danny. Zwischen den dreien besteht eine ganz spezielle Verbindung. Auf und neben dem Eis verbinden sie viele Gemeinsamkeiten. Die drei sind wie beste Freunde, noch heute verbringen die drei ihren Sommerurlaub am liebsten zusammen.

Siggi (Siegfried) Reiss ist am 17. November 1957 in Weisswasser (Sachsen) geboren, doch in Kanada aufgewachsen. Bis zu seinem 19. Lebensjahr hat er in Montreal für die St. Laurent Jets gespielt, bevor er dann 1976 nach Deutschland kam. Seine deutsche Karriere begann Siggi beim EC Hannover. 1981 wechselte Siggi nach Hamburg. Eine weitere Spielstation war der Berliner SC.

In der Saison 2002/2003 kamen die Hannover Scorpions das erste Mal direkt in Verbindung mit dem Namen Reiss, und das gleich in dreifacher Form. Nach drei Jahren als Headcoach der Indianer, entschied sich Siggi zu einem großen Schritt. Er nahm seine beiden Söhne, Danny und Andy weg vom Pferdeturm und wollte mit ihnen gemeinsam in der Deutschen Eishockey Liga Fuß fassen.

Bei den Hannover Scorpions wurde Siggi an der Seite von Paulin Bordeleau Co-Trainer. Doch Danny und Andy fanden nicht gleich den Anschluss zum Team. Trotz ihres Talents. Danny (zu der Zeit 20 Jahre alt) spielte wieder weiter für die Indians und Andy stand mit gerade einmal 16 Jahren ein wenig dazwischen.

Für Andy begann eine lange Odyssee, bis er den Platz gefunden hat, den er nun seit einigen Jahren in der Scorpions-Mannschaft einnimmt. Seine gesamte Kindheit und Jugend verbrachte Andy bei den Indianern. Er wurde stets von seinem Vater begleitet. Nach dem unglücklichen Verlauf der Saison 2003/04 entschied sich Andy dafür, eine Saison in Kanada zu spielen, genauer gesagt bei den Oshawa Generals. Dieser Schritt hat Andy letztlich geholfen, sich zu entwickeln. „Es war eine ganze besondere Erfahrung für mich, in Kanada Eishockey zu spielen. Da lernt man was für’s Leben“, schwärmt Andy von seiner Zeit in Kanada.

Als er zur Saison 2004/05 zurück nach Deutschland kommt, wird er direkt von den Scorpions unter Vertrag genommen. Mit seinen 18 Jahren brauchte Andy allerdings noch immer ein wenig Zeit, um für die DEL zu reifen. Kevin Gaudet (letztmals Trainer der Hannover Scorpions von 2004-2006) entschied sich dazu, dass Andy weitere Entwicklungsmöglichkeiten bei dem Kooperationspartner Bremerhaven sammelte. Zusammen mit Jan Hemmes (ehemaliger Scorpions-Profi, heute bei den Indians) pendelte Andy zwischen Bremerhaven und Hannover. 2005 hatte Andy in Bremerhaven sogar schon seinen ersten Berührungspunkt mit dem heutigen Scorpions-Chefcoach Igor Pavlov, der damals Peter Draisaitl beim REV Bremerhaven als Trainer ablöste.

Doch die Odyssee nahm seinen Lauf, denn von Bremerhaven ging es für Andy dann nach Wolfsburg. Dort war Andy ein Teil der Mannschaft, die 2006 unter Toni Krinner den Wiederaufstieg in die DEL schaffte. Nachdem Andy dann ein Pokalspiel im Trikot für München bestritten hat, war die Achterbahnfahrt durch verschiedene Vereine vorbei. Seitdem Hans Zach ab 2006 Trainer der Scorpions war, wurde Andy fest in das Aufgebot der Scorpions integriert. Als gelernter Stürmer startet er seine Karriere, doch unter Hans Zach wurde er zum Verteidiger umgeschult. Der Höhepunkt war ganz sicher der Meistertitel 2010, bei dem Andy eine tragende Rolle spielte.

Die Wege von Andy und Siggi trennen sich auch heute nicht. Seit fünf Jahren arbeiten Siggi bei der TUI Arena und jedes Heimspiel beobachtet der stolze Vater, in mancher Hinsicht auch kritisch. Andy lernt eine Menge von seinem Vater, egal ob es damals im Garten auf der selbstangelegten Eisfläche war oder heute durch Ratschläge nach dem Spiel ist. Der Garten der Familie Reiss wurde in kalten Wintern schon oft zu einer Eisfläche umgewandelt. „Als ich einmal nach Hause kam, stand Dannys ganze Klasse auf dem Eis. Da hab ich dann für alle Kakao gemacht“ erinnert sich Siggi. Die beiden sind sich so ähnlich, dass seine ehemaligen Mitspieler und heutigen Hamburger Thomas Dolak und Patrick Köppchen Andy vor Jahren einen ehrenwerten Spitznamen verpasst haben, der nicht nur auf den so ähnlichen Laufstil von beiden beruht – Andy wird  „Siggi“ genannt! „Wie der Vater so der Sohn“ bekommt also auch in diesem Fall eine ganz eigene Note.

Die Eishockey-Familie Reiss bekommt Zuwachs, Danny Reiss wird Vater - Siggi somit bald Opa und Andy zum ersten Onkel. Es steht also nichts im Wege, dass sich diese Eishockeytradition vielleicht über weitere Generationen fortsetzt. Für Andy nun erst einmal mit einem Comeback bei der Nationalmannschaft.

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